Villa Engelbert Kerstiens
Die Villa Kerstiens gehört zu den ältesten Häusern Neuenkirchens. Das genaue Baujahr ist nicht bekannt. Es müsste um 1840 sein, der Bauherr war Ludger Kösters.
Vor 1860 wohnte hier die Familie L. Kösters. Einer der Nachfahren hat den Besitz aufgegeben. 1860 wurde Valentin Kerstiens sen. (1830-1889) neuer Eigentümer. 1871 beantragte er die Genehmigung zur Aufstellung einer Dampfmaschine und gründete an der Emsdettener Straße eine „Mechanische Halbleinen und Gebildweberei“ mit anfänglich 60 mechanischen Webstühlen.
Die heutige Gestalt des Wohnhauses geht auf eine bedeutende Umbauphase in den Jahren 1922/23 zurück. Aus dieser Zeit stammt auch der eingeschossige Standerker mit Dreiecksgiebel an der Südfassade. Der heutige Besitzer der Villa ist Johannes Stengl.
Das Haus ist ein typisches Beispiel für die in der ländlichen Tradition verhaftete Baukultur der Textilfabrikanten in dieser Region. Bezeichnend dafür ist, dass hier das zweigeschossige herrenhausartige Wohnhaus in Funktionszusammenhang mit einem Wirtschaftsgebäude errichtet wurde. Als typisch bürgerlich kann der Grundriss mit Mittelfluranlage und seitlich abgehenden Räumen angesprochen werden. Der Bau stellt dadurch eine wichtige Zwischenstufe in der Entwicklung vom gehobenen, hier in der Regel eingeschossigen klassizistischen Wohnhaus zur städtisch geprägten Fabrikantenvilla des 19. Jahrhunderts dar. Die ursprünglich schlichte Fassadengestaltung mit Wandflächen aus Backstein und Fenstergewänden aus Sandstein ist trotz der Veränderungen noch heute nachvollziehbar und als regionaltypisch für das Münsterland zu bezeichnen.
Die Innenausstattung des Wohnhauses Kerstiens stammt im wesentlichen aus zwei Epochen. Besonders hervorzuheben ist die Treppenanlage mit Geländegestaltung in Harfenform. Auch die zahlreichen Innentüren mit den vorhandenen Beschlägen weisen sie als Bestandteil der Erstausstattung aus. In der Wohndiele im Erdgeschoss befinden sich mit ornamentalem Schmuck versehene „Kölner Decken“.
Im Salon ist ein Deckenspiegel aus Stuck erhalten. Eine Besonderheit gibt es hier, die man als Teil des klassizistischen Stils ansehen kann: Im Untergeschoss sind die Türen so angeordnet, dass man von einem Zimmer in das folgende gehen kann und nach diesem Rundgang wieder am Anfang steht.
Der Wirtschaftsbau wird durch eine große Tordurchfahrt in zwei Bereiche getrennt. Nach Westen in Richtung Wohngebäude lagen die Küche und eine „Upkammer“ über einem separaten Kellerraum. Östlich der Durchfahrt befanden sich auf zwei Geschossen Lagerräume und Speicherflächen.
Heute wird der Wirtschaftsbau als Heilpraktikerpraxis und Seminarraum genutzt.